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Uniformkundliche Fragen zum Aktivdienst im Réduit

obmann
Aktuell (Juli 2009) kriege ich viel Feedback zu meiner Arbeit als uniformkundlicher Berater der Sendung "Alpenfestung", die im Fernsehen den Aktivdienst 1939-1945 zum Thema hat. Die aufgeworfenen Fragen sind allgemein interessant. Aus diesem Grund hat mir der Verein Rost & Grünspan hier den Réduit-Briefkasten eingerichtet, wo ich auf diese Punkte eingehen kann. Ich denke dass diese Dinge auch für unsere Mitglieder und Besucher interessant sind (auch wenn es nach Meinung einzelner Historiker nur Detailwissen ist, dass nicht den grossen Zusammenhang offenbart).

Patrick Schlenker, Obmann Rost und Grünspan



Feedback 5b / 31.07.09 - Feldweibel ohne Handschuhe:

Mir wurde die Kritik vorgebracht, dass der Feldweibel in der gestrigen Folge einmal mehr keine Handschuhe getragen habe. Alle höheren Unteroffiziere hätten stets Handschuhe getragen im Aktivdienst. Dazu muss ich bemerken dass das ganz sicher ein Missverständnis ist. Offiziere trugen ziemlich häufig Handschuhe (aber nicht ständig, wie auch das eine Foto zu Feedback 5a zeigt). Nicht aber der Feldweibel oder der Fourier.

Diese Aufnahme zeigt die Marschkolonne einer Füsilier-Kompagnie in der Vorkriegszeit. Man erkennt ganz links, mit dem Stahlhelm um das Handgelenk gehängt und ohne Patronentaschen, den Feldweibel. Wie der Wachtmeister und der Tambour daneben und die Mannschaften hinter ihm trägt er keine Handschuhe. Nur wenn er die Funktion des Fähnrichs übernahm, zog er Handschuhe an um das Feldzeichen zu tragen.


feldweibel in marschkolonne



Feedback 5a / 31.07.09 - Wickelgamaschen und Stiefel der Offiziere:

Ein weiteres Feedback befasst sich mit den Stiefeln. Es wurde angemerkt, dass die Offiziere schon in den 30er Jahren alle ausschliesslich Stiefel getragen hätten. In der ersten Folge der Sendung trügen Leutnant und Oberleutnant Wickelgamaschen, die angeblich nur Soldaten hätten tragen müssen. Dass Offiziere zu diesen falschen Soldatengamaschen auch noch Reithosen zu tragen sei "schlimmer Unfug". Dazu stelle ich zwei historische Fotos vor.

Das erste Foto (oben) aus dem WK des Aargauer Bataillons 124 im Mai 1934 zeigt Hauptmann Rauber beim Rapport mit Oberleutnants der III. Kompagnie. Der berittene Hauptmann trägt Reitstiefel; die unberittenen Oberleutnants Wickelgamaschen mit Reithosen. So wurde es auch im Aktivdienst gehalten, wie das zweite Foto (unten) von der Mobilmachung 1939 in Interlaken beweist - der Leutnant trägt Wickelgamaschen (die Truppe übrigens nicht!)


hauptmann und oberleutnants 1934

leutnant mit truppe 1939



Feedback 4 (Zusatz Feedback 1) / 30.07.09 - Weiche Offiziersmütze:

Beim ersten kommmentierten Feedback zur Sendung stand die Behauptung im Raum, dass es 1943 noch keine steife Mützen für Offiziere gab. Der Kritikpunkt wurde mit Fakten und einem Foto widerlegt. Auf der anderen Seite wurde auch sehr oft die Behauptung aufgestellt, dass die weiche Offziersmütze des Festungskommandanten ganz falsch sei für die Aktivdienstzeit. Ergänzend zum ersten Kommentar will ich auch hier ein Bild zeigen.

Das Foto unten aus dem Archiv von R&G zeigt Artillerieoffiziere im Jahr 1944. In der Mitte sieht man einen Leutnant und zwei Oberleutnants mit steifen Mützen der Ordonnanz 1940. Flankiert sind sie von einem Oberleutnant (links) und einem Major (rechts) mit weichen Mützen der Ordonnanz 1926. Das beweist, dass die Wahl der weichen Mütze für den Kommandanten der Festung authentisch ist und Bilddokumenten der Zeit entspricht.


offiziersmuetzen 1926 und 1940



Feedback 3b / 30.07.09 - Tornister:

Eines der ersten Feedbacks (ich kriege sie aktuell per Mail und auf anderen Wegen) ging um die Tornister. Die im Fernsehen getragenen seien falsch, denn 1943 wären die Tornister lang und nicht quadratisch gewesen. Auch der Kaput müsste deswegen lang gerollt sein. Hier muss ich darauf hinweisen, dass dies von der Waffengattung abhängt. Der lange Tornister (Modelle 98 u. 42) wurde bei der Infanterie getragen, wo die meisten Wehrmänner Dienst taten.

Bei anderen Waffengattungen, wie bei der Artillerie, wurde der Tornister Ordonnanz 1875/98 ausgegeben. Auf diesen quadratischen Tornister wurden die Kaputs im allgemeinen kurz gerollt, wie im Fernsehen gesehen. Das Foto unten zeigt die vor dem Zelt aufgereihten Packungen in einem Biwak der Artillerie 1932. Deutlich erkennbar ist hier der quadratische Tornister der Kanoniere mit (bis auf ein Fall) kurz gerolltem Kaput.


tornister ordonnanz 1875 der artillerie



Feedback 3a / 30.07.09 - Stahlhelme:

Für Feedback sorgten die im Fernsehen getragenen grünen Stahlhelme mit glatter Oberfläche. Ein Veteran Jahrgang 1925 meinte dazu, dass es solche Helme im Aktivdienst nicht gab. Er selbst hat als Zeitzeuge nur den aufgerauhten Schwarzen Stahlhelm getragen. Dazu muss ich sagen, dass die im Fernsehen gezeigten Helme Modell 1918 mit späteren Modifikationen an Kinnriemen und Visier entsprechen. Ihre grüne Farbe ist für 1943 verbürgt.

Der erwähnte Veteran gehörte zu jenen Jahrgängen die erst 1944/45 Aktivdienst leisteten. Die grünen Stahlhelme wurden ab 1943/44 zur besseren Tarnung mit einer aufgerauhten schwarzen Oberfläche versehen, also vor der Dienstzeit des Veteranen. Unsere zwei folgenden Fotos zeigen oben zwei Lmg-Schützen 1959 mit dem schwarzen Helm mit aufgerauhter Oberfläche, und unten Kanoniere im Biwak 1932 mit den grünen Stahlhelmen mit glatter Oberfläche.

Ergänzenden Anmerkung von Jürg Burlet
(Autor "Geschichte der eidgenössischen Militäruniformen 1852 bis 1992)

Bundesratsbeschluss betreffend Ordonnanzänderung des Stahlhelms vom 6. Juli 1943: Art. 1. Der Stahlhelm Ordonnanz 1918 ... wird inskünftig mit einem schattenschwarzen Rauhanstrich mit Sägemehlkörnern versehen. Art. 2: Die bereits vorhandenen Stahlhelme sind ebenfalls mit dem neuen Anstrich zu versehen.


stahhelm schwarz

stahlhelm gruen



Feedback 2 / 29.07.09 - Militärhemden:

Ein heute eingegangenes Feedback handelt von den Hemden. Bei einer Sequenz der Sendung waren Wehrmänner zu sehen, die im Freien in der Sommerhitze ihre Exerzierblusen abgelegt hatten um zu arbeiten. Es wurde mir mitgeteilt, dass es solche weisse und unmilitärischen Hemden im Aktivdienst sicher nicht gegeben habe. Damals hätte man graue Militärhemden mit Kragen getragen. Auch hier kann eine Photographie Klarheit schaffen.

Das untenstehende Foto zeigt Männer des Zürcher Territorial-Bataillons 155 mit Wachtmeister bei einer Arbeitspause 1940. Man erkennt die Vielfalt ziviler Hemden die getragen wurden. Die kragenlosen Zivilhemden in der Sendung sind authentisch. Dass alle die gleichen Hemden tragen wie im Fernsehen ist zwar unwahrscheinlich, aber ein akzeptables Detail. Graue Militärhemden kamen im Aktivdienst auf, aber sie wurden im Feld praktisch nie getragen.

Ergänzenden Anmerkung von Jürg Burlet
(Autor "Geschichte der eidgenössischen Militäruniformen 1852 bis 1992)

Feldgraue Hemden waren im Bekleidungsreglement vom 6. Dez. 1940 nur für die Offiziere der Flieger- und Panzertruppe vorgesehen (Art. 2) Uniformhemden für die Mannschaft wurden sukzessive ab 1948 eingeführt und fanden ihren schriftlichen Niederschlag in der Verordnung (Bekleidungsverordnung) vom 8. März 1949 (Art. 5) und der Verordnung vom 28. Dez. 1951 (Art.6)


zivile hemden der mannschaft



Feedback 1 / 28.07.09 - Steife Offiziersmützen:

Ein Feedback zur Offiziersuniform betrifft die Kopfbedeckung des Oberleutnants in der Sendung. Sie entspräche nicht der Aktivdienstzeit denn steife Mützen seien erst später aufgekommen. Dazu stellen wir hier ein Foto von einem Offizerskurs im Frühjahr 1940 aus dem Archiv von Rost & Grünspan online.

Oberstleutnant H. Brown, Kommandant Geb.Füs.Bat 47, erklärt hier gerade die Handhabung eines Minenwerfers. Man sieht dass sowohl Mützen der Ordonnanz 1926 mit weichem Deckel, als auch die ganz neue Mütze der Ordonnanz 1940 mit steifem Deckel getragen wird. Beide Modelle waren im Aktivdienst verbreitet, wobei die steife 40er Mütze in den unteren Offiziersgraden bald dominierte.


offiziersmuetzen der ordonnanzen 1926 und 1940

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